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[A-DX] Im Wortlaut: Längstwellen-Artikel N. Schiffauer (FAZ)


  • Subject: [A-DX] Im Wortlaut: Längstwellen-Artikel N. Schiffauer (FAZ)
  • From: Thkamp@xxxxxxx
  • Date: Thu, 16 Mar 2000 14:23:19 EST

Liebe Funkfreunde,

eine Texterkennungssoftware macht es möglich, euch den Artikel (nur zum
Privatgebrauch!) zur Verfügung zu stellen. Alle Urheberrechte sind zu
beachten. Grüße aus Köln, Thomas Kamp, DF5JL



Aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Seite T 6/ Dienstag, 7. März 2000, Nr.56


U-Boot-Funk aus Indien und Gewitter vor Bouvet hören

Eine simple Soundkarte, etwas freie Software und ein Draht machen jeden PC
zum LängstweIIenempfänger

VVV VTX3 - in großer Regelmäßigkeit zeichnen sich die Morsezeichen auf dem Bildschirm des Computers ab. So ruft die indische Marine ihre U- Boote, die auf so poetische Namen wie Sindhukirti und Sindhurakshak hören. Der Sender
steht in Tirunelveli im Südosten Indiens und strahlt sein Programm im
Längstwellen-Bereich auf 18,2 Kilohertz (kHz) ab. Damit sind die Signale
nicht nur Tag und Nacht weltweit zu hören, sondern sie durchdringen sogar Meerwasser. Wer sich in diesen ungewöhnlichen Frequenzbereich einschaltet,
hört auch viele andere Funkstellen, die Nachrichten an getauchte U-Boote
senden. Die Bundesmarine etwa betreibt westlich der saterländischen Ortschaft
Ramsloh ihren Sender, dessen bis zu 353 m hohe Antennenmasten wie
funktechnische Kathedralen weit in die flache Moorlandschaft des Emslandes
ragen.

Um alles das zu empfangen, braucht man nicht mehr als einen normalen PC, der mit einer Soundcard ausgerüstet ist. Üblicherweise schließt man dort Mikrofon und Lautsprecher an, um beispielsweise Musik zu hören oder mit entsprechender
Software ein Hörspiel zu schneiden. Schon ein längerer Draht als Antenne
macht diese Soundcard jedoch zu einem empfindlichen Längstwellen- Empfänger, mit dem sich nicht nur Signale von Marinesendern direkt aus der Luft wie UKW
mit einem normalen Radio empfangen lassen.

Der Draht - je länger, desto besser - fängt die Wellen ein, die mit der
Soundcard digitalisiert werden. Dazu verbindet man den Draht von mindestens
20 m Länge mit dem Mikrofon-Eingang der Soundcard und stellt dessen
Verstärkung auf den höchsten Wert. Für noch höhere Empfindlichkeit ist ein Niederfrequenzverstärker zwischen Draht und Mikrofon-Eingang zu schalten.

Aus dem Lautsprecher des PC wird es nun eher enttäuschend rauschen. Leider
lässt sich diese Art von Radio nicht abstimmen und so mischen sich die
verschiedenen Sender zu einer ununterscheidbaren Kakophonie. Bevor wir uns
jedoch aus dem Internet eine kostenlose Ahstimmhilfe angeln, sei kurz
rekapituliert, wie die Soundcard als Radio funktioniert. Ihr Eingang nimmt analoge Signale auf, die normalerweise von einem Mikrofon kommen, in diesem
Fall aber von einer Antenne. Diese werden digitalisiert. Die so genannte
Abtastfrequenz bestimmt, wie hoch das Hörvermögen der Soundcard reicht. Aus technischen Gründen lassen sich Töne bis zur Hälfte dieser ,,Sample- Rate" wiedergeben. Üblich sind Abtastraten bis zu 44 kHz, so dass die Soundcard
alles das hört, was sich zwischen null und 22 kHz abspielt. Die
Umsonst-Software SpectroGram aus dem Internet
(http://www.monumental.com/rshorne/gram.html) setzt mit höchst trennscharfen Filtern von nur 86 Hz Breite den gesamten Bereich zwischen null und 22 kHz grafisch um. Vor dem hellgrauen Hintergrund natürlichen Rauschens ziehen die Sender deutlich getrennt voneinander ihre Spuren. Mit etwas Glück zeichnet sich bald auf 18,2 kHz der Morseruf aus Tirunelveli ab: ...- ...- ...- ...- - -..- ...-- ! Selbst wer kein Funkamateur ist, entziffert das anhand eines Morse-Alphabets aus einem besseren Lexikon schnell als: VVV VTX3, wobei das dreimalige V eine Abstimmsequenz ist, auf die das zugeteilte Rufzeichen des Senders folgt. Dass dieses Signal tatsächlich direkt aus dem Süden Indiens zu unserem PC kommt und nicht etwa ominöse Übersteuerungen der Soundcard dafür verantwortlich sind, haben wir mit einem professionellen Empfänger EKO71 von Rohde & Schwarz parallel dazu überprüft. Aus dessen Lautsprecher klingt es im selben Rhythmus, wobei die PC-Darstellung sogar deutlich klarer ist als der
akustische Eindruck beim Spezial-Empfänger.

Ein weiterer Vorteil der Software ist der gleichzeitige Überblick über den beinahe gesamten Längstwellen-Bereich, während unser professionelles Radio nur einen 300 Hz schmalen Ausschnitt daraus erfasst. So versäumt man nicht den Sendebeginn der britischen Station Criggion, die auf 19,6 kHz Kontakt zu
den U-Booten Ihrer Majestät hält, oder verfolgt das russische
Navigationssystem Alpha, dessen Stationen auf 11,9 kHz, 12,6 kHz und 14,9 kHz
von Krasnodar, Novosibirsk und Komsomolsk-na Amure mit zum Teil
zeitversetzten Signalen eine weltweite Standortbestimmung bieten.

Aber darf man das denn überhaupt alles hören? Auf Anfrage teilte uns die
zuständige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post - die in
Deutschland sehr restriktiv derlei Hörer-Aktivitäten kontrolliert - mit, dass es sich bei der Kombination von Soundcard und PC um ein ganz normales Radio handele. Und mit dem darf man ,,Sendungen an alle" hören, wozu ätherische
Ortungshilfen ebenso zählen wie die mit VVV oder CQ eingeleiteten
Ausstrahlungen der Marinesender. Ohnehin entnimmt der Lauscher dem Äther
keinerlei Geheimnisse, denn bis auf manche Stationsansage in Morsezeichen
werden die eigentlichen Informationen verschlüsselt übertragen.

Oft genug aber ist sogar Mutter Natur höchstselbst mit diesem zum
Längstwellen-Radio konvertierten PC zu beobachten. Gemeint ist dabei nicht
das allgegenwärtige Hintergrundrauschen, sondern es sind ganz klare
Kurzzeit-Signale, die von weit entfernten Gewittern herrühren und auf der Nordhalbkugel besonders im Sommer zu beobachten sind. Sie füllen vor allem den Frequenzbereich zwischen null und 10 Kilohertz aus. Am faszinierendsten
sind darunter manchmal minutenlange Pfeiftöne, die bei 10 kHz starten,
schnell auf etwa 4 kHz sinken, um dann langsam fallend auszuklingen. Diese
,,Whistlers" beschrieb der deutsche Physiker Heinrich Georg Barkhausen
bereits 1919 in der ,,Physikalischen Zeitung", in der er den ,,Zwei mit Hilfe
der neuen Verstärker entdeckte Erscheinungen" drei Seiten widmete. Eine
schlüssige Erklärung lieferte jedoch erst die Plasmaphysik späterer Jahre. Demnach handelt es sich um Gewitter, deren elektromagnetische Wellen uns von der Südhalbkugel der Erde erreichen. Der Weg führt sie vom Entstehungsort in einem dem Erdmagnetfeld folgenden Plasmakanal zum entgegengesetzten Punkt auf der anderen Erdhalbkugel. Dieser befindet sich also auf demselben Längengrad, sein Breitengrad aber trägt das umgekehrte Vorzeichen, In Frankfurt/ Main mit den geographischen Koordinaten 50 Grad Nord und 8,4 Grad Ost lässt sich auf diese Weise also ein Gewitter beobachten, das in einem Gebiet um 50 Grad Süd
und 8,4 Grad Ost niedergeht - irgendwo in den Weiten des Südatlantiks
zwischen Kap der Guten Hoffnung und der Felseninsel Bouvet. Der lange Weg
führt das Signal zweimal durch die Ionosphäre, die unterschiedliche
Brechungsindizes für unterschiedliche Frequenzen aufweist, was sie beim
Empfänger zu diesem charakteristischen Pfeifen verformt.

Neben Wissenschaftlern beobachten inzwischen eine Reihe von Privatleuten
vornehmlich in den Vereinigten Staaten diese Signale, die sie als ,,natural
radio" bezeichnen. Durch die Wechselwirkung zwischen Erdmagnetfeld und
Ionosphäre führen Gewitter manchmal zu bizarren Tönen, zu denen
beispielsweise die Tweeks gehören. Sie hummeln wie eine Kugel im Western auf einer Frequenz von etwa 2 kHz in Viertelstunden langen Folgen dahin; ihre
Bezeichnung wurde 1933 lautmalerisch gebildet, wie uns als einziges
Englisch-Wörterbuch das Oxford English Dictionary informiert.

NILS SCHIFFHAUER



© Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main

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